Das Erbe des Herrschers
Von Tony
Menzel
Im Jahre 2041 landete ein Reisender auf einem abgelegenen
Planeten am Rande unseres Sonnensystems. Die langen Reisen durchs Weltall
hatten ihn einsam und mürrisch werden lassen, weshalb er sich nun auf die Suche
nach einer geeigneten Frau begab, um seinem tristen Leben neue Farbe
einzuhauchen.
Als er sein Raumschiff verließ, erspähte er in der Ferne
graue Rauchschwaden, die in den Himmel aufstiegen. Schnellen Schrittes wählte
er diese Richtung und kam bald in einer kleinen Stadt an, deren Straßen
allerdings wie leergefegt schienen. Erst im Zentrum, auf einem kleinen Markt,
konnte er einige Bewohner vorfinden, die sich bis auf einige Kleinigkeiten kaum
von den Menschen auf der Erde
unterschieden. Eine hochschwangere Dorfbewohnerin kam ihm entgegen. Sie hatte
lange braune Locken, helle Haut und wunderschöne Augen, in denen man sich
leicht verlieren konnte. Der Reisende wusste sofort, dass dies seine Traumfrau
hätte sein können, doch ganz offensichtlich war ihm jemand zuvor gekommen. Ihre
Schwangerschaft erstaunte ihn dennoch, denn sie schien kaum älter als 16 zu
sein.
„Warum sind sie denn nicht auf dem Fest, bei den anderen
Männern?“ fragte sie in seiner Sprache. Er erklärte ihr, dass er nicht von hier
sei und fragte wo das Fest stattfinden würde. Sie gab ihm eine detaillierte
Wegbeschreibung und er machte sich auf den Weg. Erst jetzt, da er dabei war den
Marktplatz zu verlassen, sah er, dass noch mehr schwangere Mädchen mit Körben
unterwegs waren, um ihre Einkäufe zu erledigen. Keine von ihnen schien älter
als 17 und keine von ihnen war so schön wie das Mädchen von gerade eben. Im
Gegenteil, viele wirkten sogar hässlich und entstellt.
Der Reisende hätte das Fest vermutlich auch ohne die
Wegbeschreibung gefunden. Erstens weil die Stadt sehr klein war, zweitens weil
ein lautes Jubeln und Tosen den richtigen Weg deutete. Er folgte dem Lärm und
hatte bald sein Ziel erreicht. Ein paar dutzend Männer standen hier um eine Art
Tribüne versammelt und feuerten irgendjemanden oder irgendetwas an. Schnell
erkannte der Reisende, dass es sich bei diesem sogenannten Fest um eine öffentliche Hinrichtung handelte.
Ein gut gekleideter, rundlicher Mann mit viel Prunk und einer Lockenperücke betrat die Tribüne und verkündete das Urteil. Als er zu Sprechen begann wurde die Menge schlagartig still. Der Angeklagte hatte Volksverrat begangen und wurde deshalb des Lebens unwürdig erklärt. Ein Schafsrichter brachte den Verurteilten zum Schafott das sich an einer Seite des großen Platzes befand. Alle wandten ihre Blicke in diese Richtung und begannen wieder zu Jubeln. Der verurteilte Mann sah schwach und abgemagert aus. Seine Haut wirkte dünn und fahl und sein Bart wuchs wild bis unter den Hals. Anscheinend hatte er bereits eine lange Zeit in Gefangenschaft verbracht. Der Schafsrichter wies ihn an, sich niederzuknien und verabreichte ihm eine Spritze in den Nacken. Für einige Sekunden geschah nichts, dann fing der er an sich zu schütteln, zu verrenken und Blut auszuspucken. Nach zwei Minuten war das Spektakel vorbei und das Publikum verschwand in Windeseile. An ihren Gesichtern erkannte der Reisende, dass sie trotz des Jubels schockiert und panisch waren. Davon abgesehen fiel ihm erst jetzt auf, dass viele der Männer auf irgendeine Weise entstellt waren, verkrüppelte Gliedmaßen hatten oder sogar am Stock gehen mussten. Seine Vernunft sagte ihm, er sollte diesen Ort schleunigst wieder verlassen, doch die Neugier hatte ihn bereits gepackt.
Ein gut gekleideter, rundlicher Mann mit viel Prunk und einer Lockenperücke betrat die Tribüne und verkündete das Urteil. Als er zu Sprechen begann wurde die Menge schlagartig still. Der Angeklagte hatte Volksverrat begangen und wurde deshalb des Lebens unwürdig erklärt. Ein Schafsrichter brachte den Verurteilten zum Schafott das sich an einer Seite des großen Platzes befand. Alle wandten ihre Blicke in diese Richtung und begannen wieder zu Jubeln. Der verurteilte Mann sah schwach und abgemagert aus. Seine Haut wirkte dünn und fahl und sein Bart wuchs wild bis unter den Hals. Anscheinend hatte er bereits eine lange Zeit in Gefangenschaft verbracht. Der Schafsrichter wies ihn an, sich niederzuknien und verabreichte ihm eine Spritze in den Nacken. Für einige Sekunden geschah nichts, dann fing der er an sich zu schütteln, zu verrenken und Blut auszuspucken. Nach zwei Minuten war das Spektakel vorbei und das Publikum verschwand in Windeseile. An ihren Gesichtern erkannte der Reisende, dass sie trotz des Jubels schockiert und panisch waren. Davon abgesehen fiel ihm erst jetzt auf, dass viele der Männer auf irgendeine Weise entstellt waren, verkrüppelte Gliedmaßen hatten oder sogar am Stock gehen mussten. Seine Vernunft sagte ihm, er sollte diesen Ort schleunigst wieder verlassen, doch die Neugier hatte ihn bereits gepackt.
Er wollte mit dem Mann sprechen, der das Urteil verlesen
hatte, denn dieser war vermutlich der Vormund dieser Stadt. Sein Haus befand
sich nicht weit von hier und es grenzte sich durch Prunk und Größe klar von den
anderen Gebäuden ab. Der Reisende bat um eine Audienz und die wurde ihm nach
einer kurzen Wartezeit gewährt.
An einem kleinen Schreibtisch, gefüllt mit vielen Dokumenten und Ordnern, saß der rundliche Mann mit der Lockenperücke. Der freundlich wirkende Gastgeber stellte sich als Lord Navis vor und bat den Reisenden, sich zu setzen. Der Reisende war doch überrascht von der Gastfreundschaft seines Gegenübers, der vor einer Stunde noch das Todesurteil eines armen, gebrechlichen Mannes verlesen hatte. Bei einem Glas Wein erzählte der Reisende von seiner Heimatwelt und Navis offenbarte ihm, dass auch sein Volk einst von der Erde stammte, sich dann aber aus religiösen Gründen absetzte und nach einem eigenen Planeten suchte. „Von dieser einstigen Religion ist heute nicht mehr viel zu spüren“ fügte er hinzu, „aber unseren Vorfahren fehlten die Mittel und der Antrieb, zur Ursprungswelt zurückzukehren“.
Nach einigen Gläsern in geselliger Runde, nahm der Reisende
seinen Mut zusammen und fragte, welches Verbrechen der hingerichtete Mann
begangen habe. Ohne Umschweife fing der Lord an zu erzählen. Der Mann habe ein
grundlegendes Gesetz dieser Stadt verletzt. Diesem Gesetz zufolge, musste ein
Ehepaar ein Kind zur Welt bringen, bevor die Frau das 18. Lebensjahr erreicht
habe. Grund sei die starke Unterbevölkerung, die dem Volk zu schaffen machte.
Sollte ein Mann dieser Pflicht nicht nachkommen, würde er bedingungslos
hingerichtet. Erschüttert fragte der Reisende, warum die Paare dann so früh
heiraten würden.
Navis erzählte ihm von einem weiteren Gesetz. Es sei die Aufgabe des Vaters, seine Tochter oder seinen Sohn, bis zum 16. Lebensjahr zu vermählen. Sollte ihm das nicht gelingen, würde auch der Vater bestraft werden. Diese Gesetze seien notwendig für das Wohl des Dorfes, fügte er hinzu, als ihm der ungläubige Blick seines Gastes auffiel.
Durch dieses Gesetz kam es leider auch zu vielen Fällen von Inzest, was erklärte, warum viele der Bewohner eine Behinderung hatten. „Nur die adlige Blutlinie, der natürlich auch ich entstamme, blieb bisher rein und von Inzest verschont“. Mit diesen Worten beendete er seinen Vortrag.
Navis erzählte ihm von einem weiteren Gesetz. Es sei die Aufgabe des Vaters, seine Tochter oder seinen Sohn, bis zum 16. Lebensjahr zu vermählen. Sollte ihm das nicht gelingen, würde auch der Vater bestraft werden. Diese Gesetze seien notwendig für das Wohl des Dorfes, fügte er hinzu, als ihm der ungläubige Blick seines Gastes auffiel.
Durch dieses Gesetz kam es leider auch zu vielen Fällen von Inzest, was erklärte, warum viele der Bewohner eine Behinderung hatten. „Nur die adlige Blutlinie, der natürlich auch ich entstamme, blieb bisher rein und von Inzest verschont“. Mit diesen Worten beendete er seinen Vortrag.
Der Reisende war noch immer schockiert von diesem Wahnsinn. „Wenn
ihr weniger Leute hinrichten würdet, gäbe es auch keine Unterbevölkerung und
mehr Menschen wären in der Lage, gesunde Kinder zu zeugen“ entgegnete er.
Navis‘ Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig. Mürrisch blickte er den Fremden an und knurrte: „Diese Gesetze stammen von mir höchstpersönlich und sie sind das Beste, das diesem Volk geschehen konnte. Sie sollten sich nicht in Angelegenheiten einmischen, die sie nichts angehen!“
Der plötzliche Stimmungswechsel konnte den Reisenden nicht einschüchtern und er sagte selbstbewusst: „Jedes menschliche Wesen, also auch die Bewohner dieser Stadt, hat unanfechtbare Menschenrechte. Wenn sie diesen Wahnsinn nicht einstellen, werde ich den Behörden auf meinem Planeten davon berichten.“
Darauf hatte Lord Navis nur gewartet. Sofort befahl er seinen Wachen, den „Eindringling“ festzunehmen und in den Kerker zu werfen. Schneller als die Wachen reagieren konnten, zog der Reisende ein Messer und hielt es dem Lord direkt an die Kehle. Er befahl den Wachen zurück zu weichen und diese befolgten seine Anweisung augenblicklich. Doch nicht nur das: eine der Wachen rief nun sogar „Töten sie ihn, beenden sie unser Leid!“ und die anderen stimmten ihm zu.
„Verräter!“ wollte Lord Navis rufen, doch da hatte der Reisende ihm bereits die Kehle aufgeschnitten. Krächzend lag er am Boden und näherte sich seinem Ende. „Dafür wirst du büßen!“ röchelte er, „Mein Erbe wird dich vernichten!!“ Dann starb er.
Navis‘ Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig. Mürrisch blickte er den Fremden an und knurrte: „Diese Gesetze stammen von mir höchstpersönlich und sie sind das Beste, das diesem Volk geschehen konnte. Sie sollten sich nicht in Angelegenheiten einmischen, die sie nichts angehen!“
Der plötzliche Stimmungswechsel konnte den Reisenden nicht einschüchtern und er sagte selbstbewusst: „Jedes menschliche Wesen, also auch die Bewohner dieser Stadt, hat unanfechtbare Menschenrechte. Wenn sie diesen Wahnsinn nicht einstellen, werde ich den Behörden auf meinem Planeten davon berichten.“
Darauf hatte Lord Navis nur gewartet. Sofort befahl er seinen Wachen, den „Eindringling“ festzunehmen und in den Kerker zu werfen. Schneller als die Wachen reagieren konnten, zog der Reisende ein Messer und hielt es dem Lord direkt an die Kehle. Er befahl den Wachen zurück zu weichen und diese befolgten seine Anweisung augenblicklich. Doch nicht nur das: eine der Wachen rief nun sogar „Töten sie ihn, beenden sie unser Leid!“ und die anderen stimmten ihm zu.
„Verräter!“ wollte Lord Navis rufen, doch da hatte der Reisende ihm bereits die Kehle aufgeschnitten. Krächzend lag er am Boden und näherte sich seinem Ende. „Dafür wirst du büßen!“ röchelte er, „Mein Erbe wird dich vernichten!!“ Dann starb er.
Trotz seiner Taten wurde der Lord festlich bestattet, so wie
es der Brauch war. Die Bewohner waren sich einig, dass der Reisende der neue
Lord werden sollte, doch der lehnte dankend ab. Nach der Beerdigung kehrte er zu
seinem Raumschiff zurück. Als er die Stadt gerade verlassen wollte, traf er
abermals auf seine Traumfrau. „Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt“ sagte
sie, „mein Name ist Lara.“ Sie dankte ihm dafür, dass er die Stadt von ihrem
größten Übel befreit hatte und schenkte ihm einen Korb mit Früchten. Danach tat
sie etwas, womit der Reisende nicht gerechnet hatte. Sie bat ihn, nein sie
bettelte darum, ihn begleiten zu dürfen.
„Was wird aus dem Vater ihres Kindes“ fragte der Reisende, „sie sollten bei ihm bleiben.“ Er hasste sich für seine eigenen Worte, denn zu gerne hätte er sie bei sich gehabt. Sie antwortete: „Der Vater meines Kindes ist tot. Er war ein Verbrecher und starb.“
Das reichte aus, um den Reisenden zu überzeugen. Er nahm sie mit auf sein Raumschiff und zusammen verließen sie den Planeten.
„Was wird aus dem Vater ihres Kindes“ fragte der Reisende, „sie sollten bei ihm bleiben.“ Er hasste sich für seine eigenen Worte, denn zu gerne hätte er sie bei sich gehabt. Sie antwortete: „Der Vater meines Kindes ist tot. Er war ein Verbrecher und starb.“
Das reichte aus, um den Reisenden zu überzeugen. Er nahm sie mit auf sein Raumschiff und zusammen verließen sie den Planeten.
Er konnte sein Glück immer noch nicht fassen. Er hatte nicht
nur die schönste Frau dieses Planeten bekommen, nein vermutlich sogar die
schönste Frau im ganzen Sonnensystem. Als sein erster Freudenschwall
abgeklungen war, begann er nachzudenken. Warum war nur sie so schön und alle
anderen so hässlich? Hieße das, dass
auch sie einer adligen Blutlinie entstammte? Langsam dämmerte es ihm.
„Wer ist der Vater deines Kindes?“ fragte er sie, obwohl er die Antwort schon kannte. „Es ist der Mann, den ihr umgebracht habt“ sagte sie, „Er ist auch mein eigener Vater. Ich war für ihn das wertvollste auf der Welt, doch um seinem eigenen Gesetz zu entsprechen, musste er mich vermählen, bevor ich 16 war. Das kam für ihn gar nicht in Frage, er wollte mich nicht in die Hände irgendeines Bauernjungen geben. Um seine eigenen Regeln zu umgehen schwängerte er mich selbst und ich glaube er genoss es sogar.“
„Wer ist der Vater deines Kindes?“ fragte er sie, obwohl er die Antwort schon kannte. „Es ist der Mann, den ihr umgebracht habt“ sagte sie, „Er ist auch mein eigener Vater. Ich war für ihn das wertvollste auf der Welt, doch um seinem eigenen Gesetz zu entsprechen, musste er mich vermählen, bevor ich 16 war. Das kam für ihn gar nicht in Frage, er wollte mich nicht in die Hände irgendeines Bauernjungen geben. Um seine eigenen Regeln zu umgehen schwängerte er mich selbst und ich glaube er genoss es sogar.“
Der Reisende konnte es nicht fassen. Er erinnerte sich
zurück an Navis‘ letzte Worte. Mein Erbe
wird dich vernichten. War damit etwa das Kind gemeint, dass in diesem
Mädchen heranwuchs? Er wusste, dass er etwas unternehmen musste. Als sie sich
schlafen gelegt hatte, tötete er sie und legte ihre Leiche auf einem
nahe gelegenen Planeten ab.
Danach kehrte er zu ihrem Heimatplaneten und in die kleine Stadt zurück. Er gab bekannt, dass er nun doch die Nachfolge an sich nehmen würde, als neuer Herrscher dieser Gemeinde. In den folgenden Tagen begannen die Leute nach dem Aufenthalt des Mädchens zu fragen, doch er gab an, nichts darüber zu wissen. Als er eine allmähliche Unruhe im Volk spürte und einen Aufstand befürchtete, setzte er das Gesetz seines Vorgängers wieder in Kraft. Ihm wurde bewusst, dass es nicht dem Volk dienen sollte, sondern dem Schutz des Herrschers, der stets Angst hatte, seine Untertanen, vor allem die Männer, könnten zu stark werden und rebellieren.
Und so vergingen die Jahre und der neue Lord wurde immer
mehr ein Ebenbild seines Vorgängers. Das Volk hatte eine angemessene Furch vor
ihm und keiner fragte mehr nach der schönen Lara. Der Lord hatte seine Suche
nach einer Frau aufgeben. Er wusste, dass er sein Leben lang allein bleiben
musste, damit sich sein eigenes Gesetz nicht irgendwann gegen ihn selbst
richten würde. In stillen Momenten überlegte er oft, ob dieses Leben das Erbe
war, von dem Navis gesprochen hatte und fragte sich, wann es ihn vernichten
würde.