Donnerstag, 6. Februar 2014

Kurzgeschichte #6: Das Kreuzwortverhör

Bei Kurzgeschichte Nummer 6 handelt es sich genau genommen um einen dramatischen Text, der aus einer Schreibaufgabe des, bereits erwähnten, Modules "Literarisches Schreiben" heraus entstand. Die Aufgabe war schlicht und einfach einen dramatischen Text zu verfassen. Die Arbeit an diesem Text folgte direkt auf mein Weihnachtsprojekt, da die Deadline nur einen Tag nach Weihnachten angesetzt war. Die Idee wiederum kam mir schon während der Weihnachtszeit, aus einer Aktivität heraus, mit der ich viele Weihnachtsabende verbracht habe: meine geliebten Kreuzworträtsel. Erst wesentlich später fiel mir, dass ich diese bereits in ähnlicher Art und Weise in meinem Darren Baxter Kurzhörbuch verwendet habe. Was solls. Die Unterschied sind letztendlich doch sehr groß. In der folgenden Geschichte geht es um einen Detektiv, der eine schwierige Patientin befragen muss. Ein Schock, ausgelöst durch das zentrale Verbrechen, hindert sie nun daran, mit anderen zu kommunizieren. Als talentierter Detektiv findet unser vermeintlicher Held natürlich einen Weg, an die Patientin heranzukommen.
Einzelne Elemente dieser Geschichte ergeben sich womöglich erst beim zweiten Lesen oder vielleicht auch gar nicht, wie in der Besprechung des Textes im Seminar herauskam. Beachtet bitte auch, dass nicht jedes Wort ernst gemeint ist. Genau wie bei Darren Baxter, habe ich hier versucht, ein wenig mit den Klischees klassischer Krimis zu spielen, wodurch die eine oder andere Verhaltensweise oder Enthüllung vielleicht etwas "trashig" daher kommt. (Das fängt schon beim Titel an...).
Etwaige Fragen beantworte ich gerne im Kommentarbereich unter diesem Blogpost.

Ich empfehle wie immer die, besser formatierte, PDF Version. Diese findet ihr hier: DOWNLOAD


Das Kreuzwortverhör
von Tony Menzel

WALTER, der Privatdetektiv
ROSALINDE ROTH, die Zeugin
LARA SOMMER, die Pflegerin

Der Detektiv verlässt den Fahrstuhl. Die Pflegerin empfängt ihn.

PFLEGERIN
Da sind ja endlich, Herr Detektiv.
Nun aber schnell. Unsere Besuchszeit war eigentlich schon vor einer halben Stunde vorbei.

DETEKTIV
Ich bin auch nicht zu Besuch hier, Frau - ?

PFLEGERIN
Sommer. Aber Sie dürfen mich Lara nennen.

DETEKTIV
Nun gut, Frau Sommer.

LARA
Ich darf Sie doch sicher Walter nennen, nicht wahr?

WALTER
Wenn es denn sein muss.

LARA
Ich habe Sie auch schon eingetragen. Von jetzt an haben Sie 20 Minuten mit der Patientin.
Aber wissen Sie, ich bin da ja nicht so. Sie können auch 30 haben.



WALTER
20 sollten reichen. Sehen Sie doch, Sie haben meinen Namen falsch geschrieben. W-A-L-T-E-R.
Walter. Streichen Sie das H.

LARA
Ach, na jetzt wo Sie es sagen. Ist das denn so wichtig?

WALTER
Ist es. Mit einem falschen Namen, verliert dieses Dokument seine Rechtskräftigkeit.

LARA
Aber das ist nur eine Besucherliste.

WALTER
Sie haben mich lange genug aufgehalten. Zeigen Sie mir die Zeugin!
Das mit dem Namen können Sie auch später noch in Ordnung bringen.

LARA
Schon gut, schon gut. Bitte folgen Sie mir!

Die beiden betreten das Zimmer der Patientin.

LARA
Hallo Rosi. Dieser Mann möchte Sie gerne besuchen.

WALTER
Sie beachtet mich gar nicht.
Ist sie denn blind? Oder gar taub?

LARA
Weder noch. Seit dieser Sache vor fünf Jahren meidet sie den Kontakt mit anderen Menschen.
Sie hockt einfach nur über ihren Kreuzworträtseln. Und das Tag für Tag.
Selbst mit uns Pflegern redet sie nur selten und dann auch immer nur ein paar wenige Worte.

WALTER
Nun, sie wird mir dennoch einige Fragen beantworten müssen. Sie dürfen nun gehen Frau - ?

LARA
Lara! Und ich würde lieber hier bleiben.
Nur um sicher zu gehen, dass sie sich nicht zu sehr aufregt, wissen Sie.

WALTER
Wenn es denn sein muss. Also dann, Frau Rosalinde Roth, richtig?
Ich bin hier, wegen dem, was ihrem Mann, Herbert Roth, vor 5 Jahren zugestoßen ist.

ROSALINDE
As-tro-lo-gie

WALTER
Vor kurzem gab es eine neue Reihe von Morden in ihrer früheren Wohngegend. Sie wissen
schon, dort wo die Reichen und Superreichen wohnen. Die Polizei fand einige Hinweise darauf,
dass es sich hier um den gleichen Täter handeln könnte. Deswegen brauche ich ihre Hilfe.

ROSALINDE
Re-sis-tenz

LARA
Bitte überfordern Sie Rosi nicht zu sehr. Diese schlimmen Erinnerungen fallen ihr sicher nicht
leicht.

ROSALINDE
Ae-ro-bik

WALTER
Wir wissen, dass Sie das Ganze mit ansehen mussten. Gerade deswegen wäre eine Aussage von
Ihnen aber auch Gold wert und würde den Täter garantiert auf den Stuhl bringen.

ROSALINDE
Le-gis-la-tive

WALTER
Im Falle ihres Mannes gab es drei Hauptverdächtige.
Der erste war sein Anwalt, Albert D., dem oft nachgesagt wird, er wäre auch in die nicht ganz so
sauberen Geschäfte verwickelt.

ROSALINDE
Fi-let-bra-ten

WALTER
Dann wäre da noch ihr Schwager, Friedhelm Roth, der einzige Bruder Ihres Mannes, der noch
kurz zuvor einen Streit mit Herbert gehabt haben soll. Man sagt, es sei dabei um das Testament
Ihres Mannes gegangen.

ROSALINDE
Trieb-tät-er

WALTER
Wie ich hörte, hätte er dort seinen Hausarzt und nahen Freund Malte R. bevorzugt, was diesen zu
unserem dritten Verdächtigen macht. Auch soll er an diesem Nachmittag einen Termin für einen
Hausbesuch gehabt haben. Wie ich außerdem hörte, ließ sich ihr Mann nur in seinen eigenen
Gemächern verarzten, da er Angst vor Krankenhäusern gehabt hätte.

ROSALINDE
Ex-i-ku-tion

LARA
Bitte Rosi, versuchen Sie doch, sich zu erinnern!

ROSALINDE
Alk-o-hol

WALTER
Was redet sie denn da immer?

LARA
Na ein Suchtmittel mit sieben Buchstaben. Alkohol.
Ich sagte doch, sie mag ihre Kreuzworträtsel.

WALTER
Das bringt mich auf eine Idee. Sie ist etwas unkonventionell, also tun Sie mir doch bitte den
Gefallen und lassen Sie mich kurz mit der Zeugin alleine.

LARA
Ihr Name ist Rosi!

WALTER
Von mir aus.

LARA
Und ich werde schön hier bleiben und darauf achten, dass sie Rosi nicht zu sehr überanstrengen.

WALTER
Warum sind Sie zu so später Stunde überhaupt noch hier? Sollten Sie nicht zu Hause bei ihrem
Baby sein?

LARA
Woher - ?

WALTER
- woher ich das weiß? Nun, Frau Sommer, ich kenne mich ebenfalls ein wenig mit Medizin aus.
Aber selbst, wenn das nicht so wäre, würde ich es wohl an ihren Augenringen erkennen.

LARA
Also gut, bevor Sie mich weiter analysieren, sehe ich lieber mal nach den anderen Patienten.

WALTER
Vielen Dank - ähm - Lara, richtig?

LARA
Richtig. Ich brauche fünf Minuten für meine Runde, dann bin ich sofort zurück.
Die Pflegerin verlässt das Zimmer. Der Detektiv tritt an das Bett der Zeugin.

WALTER
Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich mir eines ihrer Rätselhefte ausleihe, nicht wahr?
Nun ja, selbst wenn, würden Sie es mir wohl nicht sagen. Sie können mir ja nicht einmal in die
Augen sehen.
Interessant, in diesem Rätsel hier geht es um mögliche Tatwaffen. Was es nicht alles gibt.
Dritte Zeile waagerecht, dort fragen sie nach einem langen Werkzeug zum Häkeln.

ROSALINDE
Stricknadel.

WALTER
Richtig, Stricknadel. Das muss es sein.
Und hier: fünfte Reihe senkrecht, dort wird nach einem medizinischen Gerät zum Injizieren
gefragt. Sieben Buchstaben. Was könnte das sein?

ROSALINDE
Sp-Spritze.

WALTER
Na nu? Sie klingen auf einmal so nervös? Scheint als hätten wir einen Volltreffer gelandet.

ROSALINDE
Sp-Spritze. Spritze.

WALTER
Richtig, eine Spritze. Nehmen wir ein anderes Rätsel. Das mit den Tatwaffen wird doch schnell
langweilig. Ah ja, Sprichwörter, das klingt doch lustig. Welche Stund' hat Gold im Mund?

ROSALINDE
Morgenstund!
WALTER
Ah ja richtig, das war wirklich zu leicht. Wie sagt man denn das hier: Es ist nicht aller Tage …?

ROSALINDE
A-Abend. Abend.
WALTER
Bingo. Der Abend also. Damit hätten wir Tatwaffe und Tatzeit.
Diese Rätsel können ja richtig süchtig machen, nicht wahr? Natürlich eine viel bessere Sucht, als
die ihres Mannes, nicht wahr?

ROSALINDE
S-Sucht.

WALTER
Wie auch immer. Auf zum nächsten Rätsel. Wie nennt man einen Ort, an dem viele Bücher
aufbewahrt werden? Zehn Buchstaben.

ROSALINDE
Bibliothek.

WALTER
Ja genau, aber die Bibliothek war es nicht, oder? Aber wie nennt man noch gleich den Ort, wo
man sich zum Schlafen legt?

ROSALINDE
Schlafzimmer. Schlafzimmer. Schlafzimmer.

WALTER
Und ob es das Schlafzimmer war, Sie kluges Mädchen. Der gleiche Ort, an dem er Sie fast jeden
Abend misshandelt hat, als er das mit dem Alkohol nicht mehr unter Kontrolle hatte, nicht wahr?

ROSALINDE
Schlafzimmer, Schl-Schlafzimmer.

WALTER
Ja genau, im Schlafzimmer. Und genau deswegen sollte er auch dort sterben! Dass er mir einen
Großteil seines Erbes zukommen lassen wollte, war mir vollkommen egal! Ich wollte die Welt
nur von diesem Schwein befreien!

ROSALINDE
Schlafzimmer. Schlafzimmer.

WALTER
Nur konnte ich nicht weiter machen, nachdem ich meinen hippokratischen Eid verletzt hatte.
Zumindest bis vor kurzem. Mir ist klar geworden, dass in diesen Reichenvierteln noch genug
andere Schweine leben, die, so wie der gute Herbert, nichts anderes als den Tod verdient haben.

ROSALINDE
Schl-Schlafzimmer. Schlafzimmer.

WALTER
Aber in ihrem jetzigen Zustand sind Sie gar nicht mehr dazu fähig, anderen von meinen Taten zu
erzählen, nicht wahr, Frau Roth?
Nun, da ich das sicher gestellt habe, wird mich keiner mehr aufhalten.
Die Pflegerin betritt das Zimmer.

LARA
Alles in Ordnung bei Ihnen beiden? Rosi scheint ihren Alarmknopf gedrückt zu haben. Ich
denke, Sie haben sie mit ihren Fragen überfordert.

WALTER
Ich denke da haben sie Recht.

LARA
Konnten Sie denn wenigstens etwas herausfinden?

WALTER
Leider nicht. Die Gute kann sich einfach nicht mehr erinnern und das wird vielleicht auch das
Beste für Sie sein. Leben Sie wohl, Frau Roth.

ROSALINDE
Malte. Malte R.!

WALTER
Wie?

LARA
Nein, der Herr heißt Walter, Rosi. W-a-l-t-e-r.
Aber ist es nicht entzückend, dass Sie sich verabschieden wollte?
Ich werde beim Herausgehen das Licht ausschalten, Rosi. Schlafen Sie doch ein bisschen.
Pflegerin und Detektiv verlassen das Zimmer und gehen zum Aufzug.

LARA
Hach, diese Dinger brauchen aber auch immer ewig, nachdem man den Knopf gedrückt hat.

WALTER
Sie lieben ihren Job als Pflegerin, nicht wahr, Lara?

LARA
Es ist das einzige, worin ich wirklich gut bin.

WALTER
Ich weiß, weshalb Sie das hier tun. Weshalb Sie immer die Nachtschichten übernehmen.

LARA
W-Was meinen Sie?

WALTER
Ich sehe sie doch, die blauen Flecken an ihren Armen. Sie übernehmen die Nachtschichten, um
nicht zu ihm nach Hause zu müssen, habe ich Recht?

LARA
Sagte ich nicht, Sie sollen aufhören, mich zu analysieren?

WALTER
Entschuldigen Sie. Da ist auch schon mein Aufzug.
Wissen Sie Lara, Sie scheinen eine tolle Frau zu sein. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich ihre
häuslichen Probleme bald erledigt haben werden.

LARA
W-Was meinen Sie damit?

Die Fahrstuhltür schließt sich.

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